Die Vergabe des Ingenieur-Titels erfolgt ab 1. Mai 2017 gemäß dem an diesem Tag in Kraft tretenden Ingenieurgesetz 2017 (IngG 2017, BGBl. I Nr. 23/2017) im Rahmen eines qualitätsgesicherten Zertifizierungsverfahrens. Dieses besteht aus:
Prüfung der Formalvoraussetzungen gemäß § 2 IngG 2017 (entspricht dem bisherigen Verfahren) Absolvierung eines Fachgespräches über die Praxis mit Fachexpert/innen (§ 5 IngG 2017) Verleihung der Qualifikationsbezeichnung „Ingenieur“ / „Ingenieurin“
Durch das neue Verfahren sollen die Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenz von Ingenieurinnen und Ingenieuren (kurz „Ing.“) auf dem Niveau der Stufe 6 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und damit verbunden des Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) zertifiziert werden. Dadurch wird die bisher nur in Österreich anerkannte Qualität von Ingenieuren und Ingenieurinnen auch international sichtbar(er) und verwertbar(er).
NQR bzw. EQR bestehen aus insgesamt acht Kompetenzniveaus, die durch allgemeine, wirtschafts- und arbeitsmarktbezogene sowie lernergebnisorientiert formulierte Deskriptoren definiert sind. Österreich hat die Möglichkeit, alle formalen und non-formalen Bildungsabschlüsse einem Kompetenzniveau, entsprechend den jeweiligen Deskriptoren, zuzuordnen. Die Einstufungen erhöhen die Transparenz der Wertigkeit von Abschlüssen und bieten damit bessere Vergleichsmöglichkeiten insb. für Unternehmen, Beschäftigte, Arbeitssuchende oder Behörden. Aus einer Zuordnung sind keine rechtlichen Ansprüche ableitbar. Grundlage ist das im NQR-Gesetz festgelegte Expertenverfahren.
Nachzuweisen ist eine positive Reife- und Diplomprüfung in einer in der Ingenieurgesetz-Fachrichtungsverordnung, BGBl. II Nr. 74/2017, definierten Fachrichtung sowie eine nachfolgende mindestens dreijährige fachbezogene Praxis an Tätigkeiten, die typischerweise von HTL-Absolventen bzw. -Absolventinnen der entsprechenden Fachrichtung durchgeführt werden. (§ 2 Z 1 IngG 2017)
Ja. Voraussetzung ist ein Schulabschluss, der mit einer Reife- und Diplomprüfung an einer österreichischen HTL gleichwertig ist sowie eine nachfolgende mindestens dreijährige entsprechende Praxis. Die Beurteilung der Gleichwertigkeit erfolgt entweder aufgrund eines Nostrifikationsbescheids oder einer Bewertung (www.asbb.at) des Bundesministeriums für Bildung. Wenn keine Gleichwertigkeit gegeben ist, können Zusatz-/Ergänzungsprüfungen erforderlich sein. (§ 2 Z 2 IngG 2017)
Ja. Die Qualifikationsbezeichnung Ing. setzt sich aus höherer Fachtheorie, höherer Allgemeinbildung und dem Nachweis berufspraktischer Handlungskompetenz im Fachbereich zusammen. Den inhaltlichen Bezugspunkt bilden dabei Lernergebnisse in den Bereichen „Planung und Entwicklung“. Voraussetzung der Anerkennung im Zertifizierungsverfahren ist daher der Nachweis einer inhaltlich vergleichbaren technischen Qualifikation sowie höherer Allgemeinbildung (z.B. Berufsreifeprüfung, sonstige Matura). Die nachfolgende ingenieurmäßige Praxis beträgt bei alternativen Bildungsabschlüssen sechs Jahre. (§ 2 Z 3 IngG 2017)
Ja, wenn das Studium eine fachliche Übereinstimmung mit einem HTL-Abschluss aufweist. Hochschulische Abschlüsse, die dem Bologna System entsprechen, sind aber ohnedies den NQR/EQR-Niveaus 6-8 zugeordnet.
Ja, wobei naheliegende Bereiche, die mit der Ausbildung in Zusammenhang stehen, ebenfalls zulässig sind (z.B. Abschluss in der Fachrichtung Maschinenbau, Tätigkeit im Bereich Mechatronik).
Nein, so wie bei allen anderen Bildungswegen muss im Verlauf der fachbezogenen Praxis dieses Niveau realisiert werden und am Ende (d.h. zum Zeitpunkt des Fachgesprächs) vorliegen.
Die Praxis muss sich über insgesamt drei bzw. bei Anträgen gemäß § 2 Z 3 IngG 2017 über sechs Jahre erstrecken. Innerhalb dieser Zeitspanne muss der/die Antragsteller/in im Schnitt 20 Wochenstunden praktisch tätig gewesen sein (z.B. zwei Jahre 38,5 Std., ein Jahr 15 Std.)
Die Einreichung und die Abwicklung erfolgt in bestellten Zertifizierungsstellen, die ab 1.5.2017 zur Verfügung stehen. Eine Zertifizierungsstelle wird in jeder Wirtschaftskammer eines Bundeslandes eingerichtet sein. Auf der Website des BMWFW wird eine Liste aller Zertifizierungsstellen veröffentlicht werden. Örtlich zuständig ist jede im Wohnsitzbundesland eingerichtet Zertifizierungsstelle.
Neben dem Nachweis der Personenidentität sind das Zeugnis bzw. Zeugnisse über den Schulabschluss, Praxisbestätigungen durch den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin, allenfalls SV-Bestätigung und/oder Auszug aus dem Gewerberegister, ggf. Bestätigungen über fachliche Weiterbildungen sowie eigene aussagekräftige Beschreibungen der ingenieurmäßig ausgeführten Tätigkeiten anhand von Referenzprojekten beizulegen. Detaillierte Informationen zu den Nachweisen werden die Richtlinien zur Durchführung der Zertifizierungsverfahren gemäß § 7 IngG 2017 beinhalten, die ab Mitte April 2017 verfügbar sein werden.
Bei der Einreichung genügen im Normalfall eingescannte Unterlagen, die Zertifizierungsstelle kann bei Unklarheiten aber Originale einfordern.
Mit 1. Mai 2017 werden auf der Website des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft umfassende Informationsmaterialien zur Verfügung stehen. Weitere Unterstützung und Beratung bieten Vereinigungen der Absolventen und Absolventinnen von HTLs sowie der Verband Österreichischer Ingenieure (VÖI).
Die Zertifizierungsstelle prüft den eingereichten Antrag formal und leitet die Unterlagen an die Mitglieder der Zertifizierungskommission weiter. Die Zertifizierungsstelle lädt den/die Antragsteller/in zum Fachgespräch ein.
Das Fachgespräch ist mit einer, aus zwei Personen bestehenden Zertifizierungskommission zu führen. Eine Person kommt aus der Fachpraxis, die zweite Person ist aus dem Kreis der facheinschlägig tätigen HTL- oder Hochschullehrer/innen zu bestellen. Beide Kommissionsmitglieder müssen mindestens über eine ingenieurmäßige Qualifikation (Ing. bzw. technischer Tertiärabschluss) verfügen und zum Zeitpunkt ihrer Bestellung aktiv im Berufsleben stehen sowie drei Jahre Berufspraxis nachweisen
Beide Kommissionsmitglieder sind in dieser Funktion unparteiisch und verpflichtet, bereits vor dem Fachgespräch sicherzustellen, dass es weder persönliche noch berufliche Unvereinbarkeiten gibt. Im Fachgespräch kann der/die Antragsteller/in gegebenenfalls auf vertrauliche oder geheime Informationen seine/ihre Tätigkeit betreffend hinweisen. Die Kommissionsmitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Es handelt sich um ein Gespräch unter Experten bzw. Expertinnen und nicht um eine Prüfung. Im Vordergrund stehen die in der Tätigkeitsbeschreibung beschriebenen Aufgaben und Projekte. Dabei werden vor allem die gegenüber der Reife- und Diplomprüfung fortgeschrittenen Fachkenntnisse und Fertigkeiten sowie die dabei genützten (Leitungs-)Kompetenzen herausgearbeitet. Weiters wird die Komplexität der Aufgabenstellung, der Grad der Selbständigkeit und die Entscheidungsverantwortung hinterfragt.
Es sind bis zu 45 Minuten vorgesehen, wobei die Dauer im Einzelfall auch kürzer sein kann.
Nein, das Fachgespräch ist in deutscher Sprache zu führen.
Das Fachgespräch ist positiv absolviert, wenn die Zertifizierungskommission das Vorliegen ingenieurmäßiger Kompetenzen aufgrund der Absolvierung von Tätigkeiten, die in der Ingenieurgesetz-Fachrichtungsverordnung, BGBl. II Nr. 74/2017, definiert sind, feststellt. In diesem Fall erhält der/die Absolvent/in einen Bescheid in Form einer Urkunde über die Erlangung der Qualifikationsbezeichnung Ing. Wenn die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (in diesem Fall erfolgt keine Zulassung zum Fachgespräch) bzw. das Fachgespräch (maximal) zwei Mal nicht positiv absolviert wurde, erhält der/die Antragsteller/in einen ablehnenden Bescheid. Gegen diesen kann beim Landesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden.
Die Kosten betragen EUR 473,-, die für die Aufwandsentschädigung der Kommissionsmitglieder sowie zur Abdeckung der Ausgaben der Zertifizierungsstelle und für Maßnahmen der externen Qualitätssicherung verwendet werden. (Ingenieurgesetz-Kostenverordnung, BGBl. II Nr. 73/2017)
Das Zertifizierungsverfahren ist im IngG, in den Durchführungsverordnungen sowie in den Richtlinien gemäß § 7 IngG 2017 geregelt. Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betraut die Zertifizierungsstellen mit der Durchführung der Verfahren nur dann, wenn die in den gesetzlichen Grundlagen geforderten Qualitätskriterien erfüllt sind. Werden diese Kriterien in weiterer Folge nicht mehr erfüllt, wird die Betrauung wieder entzogen. Wirksamkeit und Praktikabilität der Verfahren werden durch eine externe Stelle evaluiert.
Nein, die Zuordnung der Qualifikationsbezeichnung Ing. zum NQR dient der besseren Vergleichbarkeit, insb. für Wirtschaft und Arbeitsmarkt; allerdings sind durch die Zuordnung keine Berechtigungen verbunden.
Die verliehenen Standesbezeichnungen können weiterhin geführt werden und behalten ihren Stellenwert. Wenn ein/e Ingenieur/in, der/die seinen/ihren Titel nach dem IngG 2006 erworben hat und die Qualifikationsbezeichnung nach dem IngG 2017 erwerben möchte, kann er/sie die Zertifizierung gemäß den neuen Richtlinien beantragen.
Das Ingenieurgesetz 2017 tritt mit 1. Mai 2017 in Kraft. Ab diesem Tag können Ingenieur-Einreichungen nur mehr nach diesem Gesetz vorgenommen werden.